Wer erinnert sich nicht an das Gezerre um
die CO2-Abgasgrenzwerte auf europäischer Ebene. Letztlich wurden sie im Sinne
der Autohersteller weichgekocht. Das ist nichts Neues und nur eines von vielen
Beispielen.
Die Bundesregierung hat sich stets für Deutschlands
Autokonzerne stark gemacht oder anders ausgedrückt darauf geachtet, dass ihre
Interessen bei politischen Entscheidungen auf europäischer Ebene möglichst
weitgehend berücksichtigt werden. Politisch wird das regelmäßig mit dem Hinweis
darauf gerechtfertigt, dass es dabei um die internationale Wettbewerbsfähigkeit
der Unternehmen und damit um das wirtschaftliche Wohl und Wehe Deutschlands
geht.
Wirtschaftspolitik für das „Big Business“
Doch genau genommen geht es dabei nicht um
alle Unternehmen, sondern hauptsächlich um Konzerne. Die internationale
Wettbewerbsfähigkeit der Konzerne zu erhalten und zu stärken, das ist nicht nur
ein im Grunde sehr fragwürdiges Totschlag-Argument. Es ist auch das zentrale
Ziel der klassischen Form von Industriepolitik, in deren Genuss die sogenannten
National Champions der unterschiedlichsten Branchen kommen, eben die Konzerne.
Denn manchmal oder eher immer wieder, so
scheint es, verliert die Politik dabei die Grenzen aus den Augen, die einer der
gesamten Wirtschaft und den Bürgern verpflichteten Wirtschafts- und Industriepolitik
gezogen sind. Und dann fragt sich eigentlich, ob und inwieweit diese Politik überhaupt
noch der gesamten Wirtschaft und dem volkswirtschaftlichen Interesse der
Allgemeinheit dient. Freilich stellt niemand in der Politik laut diese Frage. Das
wird auch im VW-Abgas-Skandal am Ende sicher nicht anders sein.
Die Industriepolitik der „National Champions“ bereitete auch den Boden für die Finanzmarktkrise
Zur Erinnerung: Dass die Großbanken nach
der Pleite von Lehman Brothers 2008 weltweit ins Schleudern kamen, weil sie
sich gnadenlos verzockten, ist das bisher prominenteste und eindringlichste
Beispiel dafür, wohin eine Industriepolitik führt, die es den Konzernen nur recht
machen will – und dann noch nicht einmal mehr genau hinschaut, ob sie sich wenigstens
im Rahmen der ohnehin sehr lockeren Vorgaben bewegen. Der industriepolitische Rahmen
für die Banken wurde von diesen exzessiv überstrapaziert, wie u.a. zahlreiche Manipulationsskandale
– etwa Libor-Skandal und der Skandal um Währungsmanipulationen – und
juristische Verfahren zeigen.
Damit das nicht unter den Tisch fällt: Die
Politik hat den Boden für die Finanzmarktkrise bereitet. Sie handelte dabei
ganz im Sinne der „internationalen Wettbewerbsfähigkeit“ der Großbanken, was de
facto jedoch nichts anderes bedeutete als sie letztlich tun zu lassen, was sie
eben tun wollten. Ist das bei den Automobilkonzernen, bei VW anders?
Nein. Es gibt in dieser Hinsicht keinen
prinzipiellen Unterschied in der so verstandenen Industriepolitik zwischen Automobilkonzernen,
Großbanken oder Pharmariesen usw. Es ist insofern unaufrichtig, wenn Politiker
jetzt jede Verantwortung für die unrühmliche Praxis bei Volkswagen weit von
sich weisen. Denn in der praktizierten Form von Industriepolitik sitzen sie mit
den Konzernen, also auch mit Volkswagen, im selben Boot. Und machen wir uns
nichts vor: „Die Wirtschaft“, das sind für Regierungspolitiker wie Ministerien im
Wesentlichen die Konzerne, die National Champions.
Was gut ist für Volkswagen ist auch gut für Deutschland?
Es wäre deswegen wichtig, wenn genau das
in der echauffierten Debatte um den VW-Abgas-Skandal nicht vergessen und vor
allem auch daran gedacht würde, diese Form von Industriepolitik, die immer
wieder zu mittleren oder großen Katastrophen führt, endlich einmal grundsätzlich
zur Diskussion zu stellen. Es ist schon lange nicht mehr wahr, was Lee Iaccoa,
der berühmte Chrysler-Chef, einst in den 80er Jahren sagte, nämlich: Was gut
ist für Chrysler ist auch gut für Amerika!
Es ist insofern vielleicht in doppelter
Hinsicht besonders passend, dass die Manipulationen von VW in den USA
aufgedeckt wurden. Denn das ist erstens in der Tat mit Sicherheit besonders gut
für die US-Autoindustrie und es zeigt zweitens, dass die deutsche Politik immer
erst tätig wird, wenn der Anstoß dazu von den USA ausgeht.
Das Problem, so sei an dieser Stelle der
Politik ins Merkheft geschrieben, ist nicht so sehr der einzelne, vom rechten
Pfad abgekommene Konzern. Es ist jene Art von Industriepolitik, die sich unter
der Überschrift „Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit“ ganz in
den Dienst von Konzernen stellt – koste es was es wolle. Denn das geht nicht
nur zu Lasten der Steuerzahler, wenn´s mal wieder schief geht. Es geht vor allem
auch zu Lasten der gesamten Volkswirtschaft.
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