Die Jahre seit 2008 bis heute sind
gekennzeichnet durch eine Reihe verschiedener Krisen. Der Finanzmarkt- und
Weltwirtschaftskrise folgte die Staatsschulden- und Euro-Krise sowie die
Ukraine-Krise, die sich letztlich bedingt durch die Sanktionsspirale zu einer
Russland-Krise auswuchs. Und während die Europäische Union noch immer mit der
Bewältigung der Flüchtlingskrise beschäftigt ist, hat der Ölpreisverfall den
Energiesektor und insbesondere auch jene Staaten in die Krise gestürzt, die in
hohem Maße von den Einnahmen aus dem Ölgeschäft abhängig sind. Davon betroffen
ist unter anderem Russland. Die vorläufig letzte krisenhafte Zuspitzung ergibt
sich aus der abkühlenden Wirtschaft in China, der Abwertung des Yuan und den
dortigen Börsenturbulenzen, weil diese Entwicklungen mehr und mehr die ohnehin
angeschlagenen Schwellenländer belasten.
Kurz gesagt: Die Jahre 2008-2015 sind
Krisenjahre und sie treffen die Volkswirtschaften rund um den Globus in
unterschiedlichem Ausmaß mit der Konsequenz einer sich insgesamt abkühlenden
globalen Wirtschaft. Gerade auch deswegen ist die Nervosität und Volatilität an
den Börsen gestiegen.
Nichts desto trotz sind die Jahre
2008-2015 auch Jahre, in denen das globale Privatvermögen sukzessive, insgesamt
aber sogar beträchtlich weiter gewachsen und die Vermögenskonzentration weiter
angestiegen ist. Die klassische These der herrschenden neoklassischen Wirtschaftslehre,
dass Märkte von sich aus immer wieder ins Gleichgewicht streben und deswegen
keine dauerhaften Ungleichgewichte entstehen können, wird von der Realität der
letzten Dekade nicht bestätigt. Die Ungleichgewichte haben sich im Zuge der
Krisenjahre auf allen Ebenen vergrößert und das gilt ebenso für die Ebene der
letzten Profiteure, nämlich für die die Vermögenden.
Wie stark sich das globale Privatvermögen
seit 2008 vergrößert hat, das verdeutlicht Abbildung
1, die – ebenso wie die folgenden Abbildungen – auf der Basis der Daten aus
dem Credit Suisse Global Wealth Databook 2015 (1) erstellt wurden. Bei
diesen Daten handelt es sich um Schätzungen.
Abbildung 1: Zum Vergrößern bitte Abbildung anklicken!
Wie aus der Abbildung zu ersehen ist,
vergrößerte sich das Weltvermögen von 2008 bis 2014 um 59,997 Billionen Dollar.
Das entspricht einem Anstieg von 38 Prozent. Das Jahr 2015 stoppte den Trend.
Nach Schätzungen der Credit Suisse schrumpfte das globale Privatvermögen
gegenüber 2014 wieder um 12,42 Billionen Dollar.
Vermögenskonzentration auf Länderebene
Die seit 2008 auf Ebene der Länder wieder
steigende Vermögenskonzentration ist in Abbildung
2 veranschaulicht. Im Einzelnen ist dort das zusammengefasste Vermögen der
– gemessen am Privatvermögen – reichsten 3, 7, 10, 15, 20 und 25 Länder
zwischen 2008 und 2015 abgebildet.
Abbildung 2: Zum Vergrößern bitte Abbildung anklicken!
Dabei ist festzustellen, dass ab 2008 das
Privatvermögen in den drei reichsten Ländern am stärksten gestiegen oder anders
ausgedrückt zunehmend stärker in diesen drei Ländern konzentriert ist. 2015
vereinten sie mehr als die Hälfte des globalen Privatvermögens auf sich,
während die Top-10-Länder beinahe 80 Prozent des globalen Privatvermögens
repräsentieren. Die Top-25-Staaten kommen 2015 zusammen auf 91,6 Prozent des
globalen Privatvermögens. Die übrigen 170 von der UNO anerkannten unabhängigen
Staaten kommen folglich auf lediglich 8,4 Prozent des globalen Privatvermögens.
Festzuhalten ist allerdings auch, dass die Vermögenskonzentration auf
Länderebene nach den Schätzungen der Credit Suisse im Jahre 2000 sogar noch
höher war als 2015.
Am linken Rand der Abbildung 2 sind die 25
reichsten Länder im Jahr 2000, am rechten Rand die des Jahres 2015 aufgeführt.
In der Rangfolge ist es in diesem Zeitraum, wie ein Blick auf die beiden Listen
zeigt, zu einigen Verschiebungen gekommen. China ist beispielsweise von Rang 6
auf Rang 2 gestiegen, Frankreich von Rang 7 auf Rang 5. Deutschland ist
hingegen von Rang 4 auf Rang 6 zurückgefallen, Italien von Rang 5 auf Rang 7.
Stark zurückgefallen sind gemessen am Privatvermögen auch die Niederlande (von
12 auf 16). Und während Indonesien (Rang 20 in 2015) im Jahr 2000 ebenso wie
Russland (Rang 23 in 2015) noch nicht unter den Top-25 auftauchte, ist
Argentinien (Rang 21 in 2000) aus der Liste herausgefallen.
USA und China sind die großen Gewinner, die großen Euro-Länder und Japan die Verlierer der Krisenjahre
Umso interessanter ist es deswegen, in
welchem Maße die aktuell reichsten Länder von der Vermögensentwicklung in den Krisenjahren
nach 2008 profitierten. Abbildung 3
zeigt die Entwicklung des Brutto-Privatvermögens, das heißt des Privatvermögens
ohne Berücksichtigung der privaten Schulden, für die neun reichsten Länder ab 2008
bis 2015.
Abbildung 3: Zum Vergrößern bitte Abbildung anklicken!
Angegeben ist in der Abbildung ebenfalls,
um wie viel Prozent sich das auf diese Länder entfallende Privatvermögen im
angegebenen Zeitraum jeweils vergrößert bzw. verringert hat. Verlierer der
Entwicklung sind eindeutig die drei größten Euro-Länder sowie Japan. Im Falle
Japans spielt dabei die starke Abwertung des Yen zum Dollar eine Rolle. Denn
das globale Privatvermögen wurde für alle Länder in Dollar berechnet.
Der größte Gewinner ist gemessen an der
Steigerungsrate China (+87,18 Prozent), in absoluten Zahlen betrachtet sind es
jedoch eindeutig die USA. Seit 2008 hat sich der Reichtum in den Vereinigten
Staaten um 33,717 Billionen Dollar (+50,69 Prozent) vergrößert. Das entspricht 56,2
Prozent des Anstiegs des gesamten globalen Privatvermögens in diesem Zeitraum. Für
China hingegen ergibt sich „nur“ ein Anstieg von 11,538 Billionen Dollar. Das
entspricht aber immerhin 19,2 Prozent des Anstiegs des gesamten Weltvermögens
zwischen 2008 und 2015.
In der Europäischen Union gibt es
ebenfalls einen, das heißt überhaupt nur einen Profiteur, nämlich
Großbritannien. Dort vergrößerte sich der Reichtum insgesamt um 6,433 Billionen
Dollar beziehungsweise um 54,16%. Insofern ist – mit Blick auf die Anteile von
den USA, China und Großbritannien – klar, dass alle übrigen Länder vom Wachstum
des globalen Privatvermögens der letzten acht Jahre kaum oder gar nicht
profitiert haben. Allerdings war, was ergänzend zu Großbritannien angemerkt
werden muss, dort das Privatvermögen im Zuge der Immobilien- und
Finanzmarktkrise im europäischen Maßstab auch besonders stark eingebrochen. Das
geht auch aus Abbildung 4 hervor, die
die Entwicklung des Netto-Privatvermögens, also des um die privaten Schulden
reduzierten Brutto-Privatvermögens, für den Zeitraum 2000-2015 zeigt.
Abbildung 4: Zum Vergrößern bitte Abbildung anklicken!
Besonders interessant ist, dass das
Netto-Privatvermögen in den USA prozentual stärker als das Bruttovermögen
gestiegen ist, was sich den hohen und nahezu unverändert gebliebenen privaten
Schulden dort erklärt, worauf in Teil 2 noch eingegangen wird.
In dem Chart ist darüber hinaus auch
Spanien aufgeführt, aktuell auf Rang 10 der Liste der reichsten Länder. Für das
Euro-Land werden von der Credit Suisse jedoch keine Angaben zum
Brutto-Privatvermögen ausgewiesen. Deswegen ist es in Abbildung 3 außen vor
geblieben. Das Netto-Privatvermögen ist dort im Zeitraum 2008-2015 jedoch
ebenso wie in den anderen drei Euro-Ländern im Chart geschrumpft.
Die Verschiebungen bei den Länder-Anteilen am Weltvermögen 2000-2015
Abbildung
5 zeigt im Detail, wie sich das Privatvermögen in jenen 12 EU-Staaten
verändert hat, die im Ranking der reichsten Länder der Welt am weitesten oben
vertreten sind. Dänemark, Griechenland und Polen befinden sich nicht mehr unter
den Top 25. Wie die Liste der Top-25-Länder in Abbildung 2 (rechts) zeigt,
gehörten Griechenland (Rang 23) und Dänemark (Rang 25) im Jahr 2000 noch dazu.
In der Legende von Abbildung 5 ist jeweils
der aktuelle Rang der EU-Länder angegeben. Es offenbart sich ein klares,
allerdings auch ein klar geteiltes Bild.
Abbildung 5: Zum Vergrößern bitte Abbildung anklicken!
Die vier reichsten EU-Länder haben über
den gesamten Zeitraum betrachtet Anteile von etwa vier bis maximal sieben
Prozent am globalen Privatvermögen gehabt. Nach 2008 ging es mit den Anteilen
von Frankreich, Deutschland und Italien jedoch stark nach unten, während das
Privatvermögen in Großbritannien nach einem steilen Absturz von 2007 auf 2008
zuletzt wieder deutlich gestiegen ist.
Großbritanniens Reiche sind somit, wie bereits
gesagt, innerhalb der Europäischen Union die einzigen echten Gewinner der
Krisenjahre. Das gilt auch dann, wenn man die Vermögensentwicklung in jenen
EU-Staaten in die Betrachtung mit einbezieht, die allesamt einen Anteil am
globalen Privatvermögen von jeweils unter ein Prozent haben (siehe Abbildung
5).
Interessant ist in diesem Zusammenhang,
dass sich der Anteil am globalen Privatvermögen in den Euro-Ländern schlechter
entwickelt hat als in den in Abbildung 5 aufgeführten Nicht-Euro-Ländern. Das
wirft auch ein Schlaglicht auf das Krisenmanagement der Euro-Gruppe in Bezug
auf die Staatsschuldenkrise. Insofern lässt sich feststellen, dass sich die
Austeritätspolitik nicht nur auf der anderen Seite der Vermögensskala, das
heißt bei den Armen bemerkbar macht. Denn die Zahl der von Armut und sozialer
Ausgrenzung Bedrohten hat sich während der Schuldenkrise je nach EU-Mitgliedsland
teils erheblich vergrößert. (2)
Ein gänzlich anderes Bild ergibt sich, wie
Abbildung 6 veranschaulicht, für die
Top-4-Länder.
Abbildung 6: Zum Vergrößern bitte Abbildung anklicken!
Chinas Reiche befinden sich seit 2000
langsam, aber ohne Unterbrechung auf dem Weg nach oben. Und während es für den
einsamen Spitzenreiter, die USA, nach 2008 um knapp 9 Prozentpunkte aufwärts
ging, gibt es für den Anteil von Japans Reichen am globalen Privatvermögen über
den gesamten Zeitraum von 25 Jahren einen klaren Trend nach unten.
Noch klarer zu erkennen ist Letzteres,
wenn man die USA aus der Betrachtung herausnimmt, was in Abbildung 7 geschehen ist, die die Entwicklung der Anteile jener
Länder am globalen Privatvermögen zeigt, die aktuell auf den Rängen zwei bis
elf liegen.
Abbildung 7: Zum Vergrößern bitte Abbildung anklicken!
Was das Privatvermögen anbelangt, so kristallisiert
sich somit selbst an der Spitze heraus, dass nicht alle Länder in derselben
Liga spielen. An den Reichtum der USA kommt niemand heran, selbst China wird
dies – legt man die Schätzungen der Credit Suisse zugrunde – nicht gelingen.
Doch China, Japan und auch Großbritannien scheinen sich beim Privatvermögen
anzunähern, während sich die reichsten Euro-Länder ab 2008 gemeinsam auf dem
Weg nach unten befinden. Das gilt ganz besonders für Italien.
Bei den Ländern auf den Rängen acht bis
elf hat es jedoch im globalen Maßstab über den betrachteten Zeitraum hinweg
keine wirklich signifikanten Anteilsveränderungen gegeben. Diese Länder
scheinen den Korridor von ein bis zwei Prozent Anteil am Weltvermögen nicht
durchbrechen zu können, obwohl es bei Kanada und Australien einen langfristigen
Aufwärtstrend gibt, der sich jedoch in den letzten Jahren erkennbar abgeflacht
hat.
Ausblick auf Teil 2
In Teil
2 wird die Vermögensentwicklung in den Top-Ländern nach Anlageklassen
betrachtet, um die Frage zu klären, woraus sich die Veränderungen beim
Privatvermögen in den Top-10-Ländern ableiten. Darüber hinaus wird auf die
Vermögenskonzentration innerhalb dieser Länder sowie in den verschiedenen
Regionen der Welt eingegangen, das heißt, inwieweit sich dort die Schere
zwischen Arm und Reich weiter geöffnet oder geschlossen hat. Besonderes
Augenmerk gilt dabei innerhalb der Gruppe der Top-10-Länder vor allem jenen Staaten,
in denen das Privatvermögen in den Krisenjahren 2008-2015 besonders stark
gestiegen ist. Das sind insbesondere die USA, aber auch China und Großbritannien.
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